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Haushaltsrede Aufbruch´22


Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Doppelhaushalt 2024/2025 ist der letzte Haushalt, den dieser Rat verabschiedet. Er endet – wie meist in den letzten Jahren – mit einem kräftigen Defizit. Im Jahr 2024 sind es 9,5 Millionen, im Jahr 2025 sogar 11,5 Millionen Euro. Die Verschuldung steigt weiter an.

Es ist wieder ein Haushalt, dem jegliche Transparenz fehlt. Die Zahl der Erläuterungen zu einzelnen Haushaltspositionen geht weiter zurück.

Es ist ein Haushalt, der die Stadt jeglicher Entwicklungsmöglichkeiten beraubt. Er lässt keine Spielräume für dringend notwendige Entwicklungen – im Klimaschutz, beim Umbau der Mobilität, beim Bau von Kitas oder dem Ausbau des offenen Ganztags. Die Stadt gefährdet so ihre Zukunftsaussichten. Sie verliert den Anschluss an die Nachbarkommunen und in der Region.  

Der Haushaltsplan 2024/2025 ist das Ergebnis des finanzpolitischen Scheiterns der Bürgermeisterin, des Kämmerers und der Ratsmehrheit. Nichts aber gar nichts hat geholfen, die Finanzen der Stadt in dieser Ratsperiode auf neue Füße zu stellen – weder die kräftigen Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuern noch die zum Teil halbherzigen Versuche, neue Einnahmen für die Stadt zu generieren. In dieser Ratsperiode gab es keinen einzigen probaten Vorschlag der Bürgermeisterin und des Stadtkämmerers das Defizit auf Dauer zu verringern.

Der Haushaltsausgleich 2022/2023 war letztlich das Ergebnis von massiven Steuererhöhungen, hohen Gebührensteigerungen, ausbleibenden dringend erforderlichen Sanierungen der städtischen Infrastruktur, der Nichtbesetzung von Stellen und der Separierung von Schulden. Zum Schluss musste gar eine Haushaltssperre her.

Neue andere Einnahmequellen sind nicht erschlossen worden. Im Gegenteil: Die Energiegesellschaft wurde plattgemacht, just zu dem Moment, wo sich erste vielversprechende Geschäfte anbahnten. Die Abteilung Bodenbevorratung (Kauf und Verkauf von Grundstücken) wandert jetzt in die neue Stadtentwicklungsgesellschaft. Der Immobilienbetrieb verliert damit eine wichtige Einnahmequelle.

Wir fragen: Wohin will die Bürgermeisterin mit dem Doppelhaushalt 2024/2025, welche Ziele unterstützt die Ratsmehrheit mit Ihrer Zustimmung?

Bürgermeisterin und Kämmerer listen auf Seite 10 des Haushaltsplanentwurfes ihre wichtigsten Ziele und Strategien auf. Da heißt es unter anderem: Belastungen der zukünftigen Generationen durch Eigenkapitalabbau, Vernachlässigung der kommunalen Infrastruktur und Anstieg der Verschuldung werden vermieden. Oder: Erftstadt wird als Wohn– und Arbeitsstandort weiter ausgebaut. Die Klimaanpassung und der Klimaschutz werden in Erftstadt nachhaltig betrieben.

Hier erlaube ich mir Pippi Langstrumpf zu zitieren: Ich mach mir die Welt, wie sie mit gefällt“. Mit der Realität hat die Aufzählung nämlich nichts zu tun:

  • Der Eigenkapitalabbau geht weiter. Die Verschuldung steigt. Die Infrastruktur verschlechtert sich zusehends.
  • Der Ausbau unserer Stadt zu einem Wohn – und Arbeitsstandort stagniert. Bereits in der letzten Wahlperiode beschlossene Erweiterungen wurden auf Eis gelegt (zum Beispiel Lechenich Nordwest oder der Wirtschaftspark Lechenich). Statt einer ausgewogenen Bodenvorratspolitik und einer vom Rat gesteuerten Stadtentwicklung bestimmen zukünftig mehr und mehr private Investoren die Stadtentwicklung. Wie wird das erst mit dem neuen Stadtentwicklungsbetrieb. Nicht nur wir von Aufbruch´22 befürchten Schlimmes.
  • Über Klimaanpassung und Klimaschutz wird in der Stadt viel geredet, aber wenig Konkretes beschlossen oder gar umgesetzt. Fotovoltaik, Windenergie usw. überlassen Politik und Verwaltung ebenfalls mehr und mehr privaten Investoren. Die verfolgen in aller Regel zunächst eigene wirtschaftliche

Interessen und erst viel später – wenn überhaupt – gesellschaftliche Interessen. Nichts Wesentliches tut sich auch bei der energetischen Sanierung bestehender Gebäude – von der Heizung bis zur Dämmung. einmal kleinere Maßnahmen – wie die Förderung von Dach- und Fassadenbegrünung – fanden eine Mehrheit.

  • Mobilität: Seit einigen Monaten liegt ein gut durchdachtes städtisches Mobilitätskonzept vor. Eine Entscheidung darüber wurde von der Ratsmehrheit – angeführt von der CDU – verschoben. Erst nach den Haushaltsplanberatungen darf sich der Rat wieder damit beschäftigen. Eine Farce. Gelder zur Umsetzung des Konzeptes stehen so in den nächsten Jahren nicht bereit. Der Radverkehr kann sich so nicht verbessern. Selbst unser Antrag auf plus 50.000 Euro pro Jahr mehr für kleinere Sanierungsmaßnahmen, Lückenschlüsse zwischen Radwegen und Abstellanlagen wurde abgelehnt. Auch für Mobie war kein zusätzliches Geld (plus 80.000 Euro für den Einsatz eines 2. Fahrzeuges in Spitzenzeiten) da. Der Masterplan Lechenich mit einem zukunftsweisenden Verkehrskonzept liegt seit Jahren auf Eis.
  • Infrastruktur: Die städtische Infrastruktur verkommt immer mehr. Die Grundschulen sind zum Teil in einem schrecklichen, für die Stadt beschämenden Zustand. Die Sportanlagen – bis auf wenige Fußballplätze – genügen selbst Alltagsansprüchen nicht mehr, erst recht nicht modernen Anforderungen. Offenen Auges sehen Verwaltung und eine Ratsmehrheit dem Verfall zu. Dazu trägt im Übrigen auch die Sanierung des Schulzentrums Lechenich bei. Die millionenschwere Sanierung – mittlerweile sind die Kosten auf 75 Millionen explodiert – ist nur finanzierbar, wenn die Sanierung andere städtische Gebäude und Einrichtungen auf die lange Bank geschoben wird.

Immerhin ein Lichtblick: Die jetzt von allen Fraktionen gemeinsam beantragte Sanierung des alten Sportplatzes in Köttingen und der Schaffung von Kleinspielfeldern in Kierdorf und Dirmerzheim. Und damit die Aufgabe des Neubauprojektes am Ortsausgang von Köttingen. Auch die Einigung, endlich ein zeitgemäßes Kombibad zu schaffen lässt hoffen.

Unsere Zukunft steht auf dem Spiel

Deutlich wird: Keins der oben erwähnten Ziele werden durch den Doppelhaushalt erreicht. Sie erweisen sich somit als Fakes. Aufgefallen ist uns aber: Soziale Ziele, etwa Familienförderung (Kitas, Schulen) und die älteren Menschen werden als wesentlich Ziele nicht aufgeführt. Besonders wichtig etwa der Bau, der Erhalt und die Erweiterung der Kitas. Die Schaffung ausreichender Plätze in der Nachmittagsbetreuung der Grundschulen. Der Doppelhaushalt hält keine Antworten parat auf das Fehlen von Pflegeplätzen. Familien mit Kindern und ältere Pflegebedürftige gucken in die Röhre.

Für uns steht letztlich fest: Der Doppelhaushalt 2024/2025 widerspricht in weiten Bereichen einer in die Zukunft weisenden Kommunalpolitik

Dazu noch zwei Beispiele:

  • Der Bau der Mensa/Aula für die Donatusgrundschule: statt hier aufs Tempo zu drücken, wird der Bau immer weiter auf die lange Bank geschoben – zum Schaden für die Schülerinnen und Schüler, für die Schule und auch für Erftstadt insgesamt.
  • Wir sorgen uns um die Realisierung der Technischen Hochschule. Man hört schon lange nichts mehr davon. Eher im Gegenteil: Der Geschäftsführer der Zukunftsagentur „Rheinisches Revier“ Bodo Middeldorf hörte sich bei einem Vortrag bei der VHS beim Thema Hochschule nicht gerade zuversichtlich an. Er zeigte sich erstaunt über das geringe Engagement seitens der Stadt.

Wir lehnen den Doppelhaushalt ab.

Und jetzt kommt er gleich wieder, der irrwitzige Vorwurf, dass nur diejenigen, die dem Haushalt zustimmen, Verantwortung für die Stadt tragen. Das ist falsch! Wir tragen Verantwortung für unsere Stadt. Und genau aus diesem Verantwortungsbewusstsein müssen wir den vorliegenden Haushaltsplan 2024/2025 ablehnen.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, gestatten Sie mir zum Schluss meiner Rede noch ein paar Anmerkungen an Sie persönlich:

Bei Ihrem Amtsantritt 2020 versprachen sie dem Rat und der Verwaltung, eine neue Form der Zusammenarbeit, ein stärkeres Miteinander. Eine Begegnung auf Augenhöhe schien Ihr Ziel zu sein.

Wir, die Mitglieder der Fraktion Aufbruch´22, aber auch andere Fraktionen stellen heute leider fest: Genau das Gegenteil ist der Fall. Noch nie war die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Stadtrat so schlecht. Sie nehmen den Rat nicht mit, Sie agieren auch immer öfter gegen den Rat. Fragen und Eingaben aus dem Rat beantworten Sie oft zu spät – wenn überhaupt.  Müssen Fraktionen und Stadtverordnete wirklich verstärkt die Aufsichtsbehörden einschalten oder gar Anwälte beauftragen, um zu ihrem Recht zu kommen. Statt den Dialog suchen sie die Konfrontation, statt Lösungen zu präsentieren, sitzen Sie Probleme aus.

Kritik hören wir mehr und mehr auch aus den Reihen des Personals. Viele städtische Angestellten kritisieren die mangende Zusammenarbeit, das fehlende Miteinander und beschweren sich über eine zu geringe Wertschätzung. Der Personalrat schreibt in einer Stellungnahme unter anderem, dass auch dieser Haushalt wie schon der vorangegangene „auf Kosten der Mitarbeitenden“ geht. Das macht uns Sorgen. Das haben unsere engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verdient.

Der Personalrat macht auch ganz konkrete Vorschläge, was zu verbessern ist. Aber außer abwehrenden Stellungnahmen Ihrerseits hören wir von Ihnen nichts.

Wir stellen bedauernd fest: Die Zahl der Langzeiterkrankten steigt weiter an. Die Zahl der Überlastungsanzeigen nimmt in nahezu allen Bereichen zu. Immer öfter kündigen langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeitsstelle bei der Stadt. Kurzfristige und überraschende Kündigungen von Mitarbeiterinnen in Leitungsfunktionen lassen Rat und Öffentlichkeit aufhorchen. Es wird immer schwieriger, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Stadt zu finden. Das sieht nicht nach einer erfolgreichen Personalführung aus.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, nach Ihren Ankündigungen zu Beginn der Ratsperiode hatten wir mehr erwartet. Die Gräben zwischen Rat und Verwaltung, und damit einhergehend zwischen Vertretern der politischen Lager werden größer.

Wir sind jederzeit bereit, gemeinsam mit Ihnen für ein Mehr an Miteinander zu sorgen. Wir werben darum. Denn: Erftstadt braucht eine andere Politik. Willy Brandt – für mich der bedeutendste deutsche Politiker der Nachkriegszeit – sagte in seiner ersten Regierungserklärung im Oktober 1969: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Diese Aussage gilt bis heute. Wir von Aufbruch´22 sagen: „Wir wollen mehr Miteinander wagen, mehr Offenheit und mehr Vertrauen wagen. Wir warten auf ein Zeichen von Ihnen!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Fraktion Aufbruch´22

Bernd Bohlen

Haushaltsrede 2024

Ratssitzung 7. Mai 2024